Habe ich ein Ja- oder ein Nein-Gefühl? Weiß jemand, wo ich bin? Bekomme ich Hilfe, wenn ich Hilfe brauche? Um diese drei Fragen drehte sich ein theaterpädagogisches Präventionsprojekt in der Grundschule. Ermöglicht haben es die Schulsozialarbeit und der Förderkreis der Kastelbergschule.
Vor den Osterferien startete die Präventionsreihe „Mein Körper gehört mir“ für die beiden dritten und vierten Klassen. Begonnen haben wir mit einem Elternabend. Die Eltern bekamen darin aus allen drei Theaterstücken Ausschnitte einzelner Szenen zu sehen, damit auch sie einen Einblick bekommen, was ihre Kinder während des Projekts erfahren und erleben werden.
Direkt nach den Osterferien besuchten dann die beiden Theaterpädagogen Mira Koziol und Philipp Nägele an drei aufeinanderfolgenden Dienstagen die dritten und vierten Klassen unserer Schule. In den interaktiven Theaterstücken wurde mit den SchülerInnen in kindgerechter Sprache das Thema sexueller Missbrauch bearbeitet. Dafür spielten Mira und Philipp realistische Szenen nach, die den SchülerInnen veranschaulichten, was sexueller Missbrauch ist, wie sie ein Nein-Gefühl erkennen und wie sie sich Hilfe holen können.
Bei einer Szene bürstet Mira Philipp die Haare. Zuerst findet er es schön, dann aber ziept es und er will, dass sie aufhört. Darin thematisieren die Theaterpädagogen, dass jedes Kind seinem Gefühl Ausdruck verleihen darf und Ja sagen darf, wenn es ein Ja-Gefühl hat aber auch deutlich NEIN sagen darf, wenn es ein Nein-Gefühl hat.
Dass die Geschichte nicht immer gleich ausgestanden ist, wenn ein Kind „Nein“ formuliert, wird den SchülerInnen in einer weiteren Szene deutlich. Ein Mädchen spielt Ball, dabei rollt er ihr unter ein Auto. Als sie näher kommt, zeigt ihr der Mann im Auto seinen Penis. Sie ruft laut „STOPP“, rennt weg und erzählt es dem Hausmeister. Der nimmt die Schilderung des Kindes ernst. Er ruft ihre Eltern an und diese wenden sich mit dem Vorfall an die Polizei.
In einer der letzten Szene erleben die Kinder wie Philipp einen Jungen spielt, der von seinem Bruder missbraucht wird. Der Junge ist so mutig, die Geschichte zu erzählen, doch weder seine Mutter noch sein Fußballtrainer oder der Vater seines besten Freundes nehmen ihn ernst. Erst die Lehrerin hört dem Jungen zu, glaubt ihm und organisiert Hilfe.
Diese Szene ist leider realistisch, dass Kinder, die missbraucht werde, viele verschiedene Anläufe brauchen, bis sie gehört werden und Hilfe bekommen. Deshalb lautet die Botschaft von Mira und Philipp in dieser Szene: „Nicht aufgeben, sondern so lange Hilfe suchen, bis du Hilfe bekommst!“
Helfen kann aber auch die „Nummer gegen Kummer“. Ein Kärtchen mit der Nummer 116111 bekam jedes Kind mit und für die Klasse gab es zum Abschluss ein Plakat. Darauf stehen die drei wichtigsten Fragen, die helfen können, nicht in Gefahr zu geraten: Habe ich ein Ja- oder ein Nein-Gefühl? Weiß jemand wo ich bin? Bekomme ich Hilfe, wenn ich Hilfe brauche?
Nach dem dritten und letzten Teil des Projekts verabschiedeten die Kinder Mira und Philipp mit einem großen Applaus.
Auf die Frage was die SchülerInnen neues gelernt und erfahren haben gab es unterschiedliche Antworten : „ Das es ein Wort dafür gibt, sexueller Missbrauch“ , „Dass auch der eigene Bruder sexuell missbrauchen kann“, „Dass immer der Täter schuldig ist und niemals das Kind“, „Dass es auch sexueller Missbrauch sein kann, wenn eine Person an die Scheide, den Po oder den Penis fasst, obwohl das Kind nicht nackt ist“ , „Dass es sexueller Missbrauch ist, wenn ein Mann absichtlich seinen Penis zeigt“.
Wir bedanken uns ganz herzlich beim Förderkreis der Kastelbergschule, der dieses Projekt durch seine Mitfinanzierung möglich gemacht hat.
Info: „Mein Körper gehört mir“ ist ein Projekt der Theaterpädagogischen Werkstatt in Osnabrück. Mehrfach wurde das Projekt evaluiert, wobei sich gezeigt hat, dass Kinder, die daran teilgenommen haben, deutlich gestärkt sind, auf ihre Gefühle zu vertrauen, zwischen guten und schlechten Geheimnissen besser unterscheiden können und sich in Gefährdungslagen besser zu helfen wissen. In Bielefeld ist das Projekt schon länger fester Bestandteil des Unterrichts an Grundschulen. Mehr Info: www.tpw-osnabrueck.de
Bericht: Doris Daiber, Schulsozialarbeiterin an der Kastelbergschule